Mittwoch, 22. September 2010

Kinder an die Macht

Am Tag der Bundesratswahl werde ich immer etwas patriotisch. Obwohl ich mich regelmässig ab den Politikern und Politikerinnen ärgere, solche Wahlen packen mich immer. Ich bin dann jeweils grausam stolz auf unsere Basisdemokratie, auch wenn sie nicht über alle Zweifel erhaben ist. Auch finde ich wunderbar, dass in unserem Land einfach jeder Füdlibürger seine Meinung sagen und vertreten darf. Klar stimmen die Äusserungen kaum je mit meiner eigenen Meinung überein, was wohl auch der Grund ist, warum ich mich so häufig über die Politik ärgere. Schrecklich finde ich vor allem, wenn irgendwelche Meinungen als die absoluten Wahrheiten hingestellt werden, obwohl sie überhaupt nicht den "bewiesenen" Fakten entsprechen.

Vor ein paar Tagen auf dem Heimweg, fiel mir diese Tatsache mal wieder deutlich auf. Ich wurde mit einer klaren Meinung und Aussage konfrontiert, bei der ich wieder mal nicht sicher war, ob ich mich darüber ärgern soll oder nicht.

Nämlich stiess ich auf den letzten 200 Metern meines Heimwegs auf eine harmlose Kinderzeichnung mit Kreide am Boden. Die Kinder hatten wohl das Verfolgungsspiel gespielt, in dem eines vorausrennt und Pfeile am Boden hinterlässt, damit alle andern der Spur folgen können. Ich ging schon eine Zeit lang den Pfeilen nach, weil diese halt zufälligerweise meinen Heimweg markierten. Doch plötzlich fand ich diese Zeichnung auf dem Boden:




Einige Pfeile mit dem Wort "Arschlöcher" darunter. Sozusagen: alle Arschlöcher hier entlang. Zuerst fand ich das ziemlich lustig. Dann wurde mir jedoch bewusst, dass auch ICH wohl ein Arschloch sein muss, da ich ja 1. den Pfeilen gefolgt bin und 2. dies auch weiterhin tun würde, da das der einzige schmale Fussweg zu meinem Haus war. Nur noch halb schmunzelnd ging ich weiter und verdrängte den Fakt, dass ich grad die Arschloch-Linie überschritten hatte. Ein paar Meter weiter folgte die nächste, noch deutlichere Zeichnung:



Die klare Aussage lautete hier: "Wer einen Regenschirm hat ist ein Arschloch." Natürlich war das Wetter an diesem Tag wechselhaft und ich hatte einen Regenschirm in der Tasche dabei. Nun war es also amtlich. Zwei mal war ich deutlich als Arschloch erkannt worden.

Das erinnerte mich doch stark an die Politik. Jemand brüllt laut seine Meinung in die Welt und es wird sofort als Tatsache aufgenommen. Je lauter das Gebrülle, desto tatsächlicher, ein einfacher Zusammenhang. Diesen Gedanken im Hinterkopf dachte ich dann doch darüber nach, ob ich wohl wirklich ein Arschloch sei. Nur weil jemand mir das sagt, muss es doch nicht so sein, oder?

Um mich selbst zu beruhigen beschloss ich dann für mich, dass wohl das Kriterium Regenschirm nicht ausreicht, um meinen Charakter wirklich zu beurteilen. Trotzdem tat es mir gut, mal wieder über eine ungeschminkte Meinung nachzudenken. Auch wenn es vielleicht nicht der Wahrheit entspricht, finde ich doch, dass sich alle häufiger darüber Gedanken machen sollten, ob sie vielleicht ein Arschloch sind. Und vielleicht sollte es auch häufiger vorkommen, dass einem deutlich Arschloch ins Gesicht gesagt wird. Auch wenn es "nur" eine Meinung ist.

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